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Die Betfahrt nach Ebersdorf.

In der noch heute neben der Ebersdorfer Stiftskirche stehenden Marienkapelle vermutet man, dass in grauer Vorzeit dort ein berühmtes Muttergottesbild hing. Ebersdorf wurde so zum Wallfahrtsort, sodass neben dem Pfarrer noch weitere sechs Kaplane angestellt wurden. Deren Wohnhäuser, die sogenannten Pfaffenhäuschen, sind heute noch rings um die Kirche zu sehen.

Das Marienbild soll unzählige Wunder vollbracht haben. Noch heute sollen davon überkommene Reliquien zeugen. Neben dem Goldschiffchen zählt dazu eine hölzerne Krücke, welche einst einem durch die Berührung des Marienbildes geheilten Lahmen gehört haben soll. Diese mit der Jahreszahl 1333 versehene Krücke, welche noch heute im Turmfuße der Kirche zu sehen ist, trägt die eingekerbten Worte: „Kruck, Du bist mein Ungluck – zu meinem Ungluck hab ich ein schon Kruck.“

Die Burgen auf dem Schellenberg und in Lichtenwalde seien in fester Hand von Raubrittern gewesen. Deren gegenseitige Warnzeichen haben der Sage nach zu deren Burgennamen geführt: Schellenberg von dem Glockensignale und Lichtenwalde von dem Feuersignale („Licht im Walde“). Die mitunter umfangreichen Wallfahrten nach Ebersdorf blieben den Raubrittern nicht verborgen und kamen ihnen sogar gelegen. Von einem ihrer Raubzüge handelt eine überlieferte Sage.

„Am Sylvestertage des Jahres 1212 unternahmen die Mönche des Cisterzienserordens in Freiberg eine große Betfahrt nach dem Marienbilde zu Ebersdorf, um daselbst Gott für den reichen Bergsegen zu danken. Es war eine strenge Kälte, der Schnee hatte die Wege zugeweht und die Wasser waren zugefroren. Doch mit freudigem Muthe zog die Schaar der Betfahrer unter frommen Gesängen rüstig am Schieferbache hin. Da brachen plötzlich aus der dichten Waldung die Räuber von Schellenberg und Lichtenwalde und drangen auf den Zug ein, um die kostbaren Geräthe, Fahnen und Kleinode, welche bei einer Betfahrt damaliger Zeit nie fehlen durften, mit Gewalt zu rauben. Augenblicklich gerieth der Zug in wilde Verwirrung und die Mönche flohen mit Jammern und Entsetzen, aber der Schirmvoigt, ein tapferer Ritter, warf sich mit seinen Reisigen und Klosterknechten den Räubern entgegen. Es entbrannte ein hitziger Kampf, welcher eine gute Weile währte und zuletzt mit dem Siege der guten Sache endigte. Die Räuber wurden geschlagen und flohen nach dem Flöheflusse, hoffend, daß das Eis sie tragen werde. Doch die dünne Eisdecke in der Mitte des Flusses brach und mehr als die Hälfte der Räuber ertrank in den kalten Fluthen. Die übrigen flüchteten das Ufer entlang stromaufwärts und verkrochen sich in eine Felsenschlucht. Als dies die Klosterknechte gewahrten, besetzten sie den Eingang der Schlucht und wollten die Räuber darin mit den Waffen angreifen. Aber ihr Anführer, der Schirmvoigt, gebot, sie sollten ihr Blut schonen und die Räuber durch Feuer verderben. Hierauf schlugen die Knechte eine Menge Baumstämme nieder, zündeten sie an und warfen sie in die Schlucht, bis dieselbe zuletzt einem brennenden Ofen glich. So wurden die Räuber von Schellenberg und Lichtenwalde vertilgt und der Weg für die Betfahrer wenigstens auf einige Zeit sicher. Jene Felsenschlucht aber, worin die Räuber verbrannt wurden, heißt noch heute zum Andenken an jene Begebenheit der Höllengrund.“[1]

 

Quellen:

Ziehnert, Ernst Widar: Sachsens Volkssagen. 3. Band. Annaberg, 1839. Seiten 184 bis 186.

Staberoh, Gottlob Daniel: Chronik der Stadt Oederan. Verlag Wolf, 1847. Seite 14.

Harnisch, Johann Gottlieb: Die Schlösser Augustusburg und Lichtenwalde nebst ihren Umgebungen. Schellenberg, 1863. Seite 7.

Grässe, Johann Georg Theodor: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Dresden, 1874. Seiten  496 bis 498.

Lauterbach, Werner (Hrsg.): Sagenbuch des Erzgebirges. Friedrichsthal, 2003. Seiten274 bis 276.

[1] Textliche Fassung nach Ziehnert.



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