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Ebersdorfer Geschichtspfad

Mittweidaer Straße  – Pfaffenhäuschen

Direkt um die Kirche gab es einst das Pfarrgut.  Auf dessen Grund (teils auch auf dem Freigut) entstanden im 15. Jahrhundert die Pfaffenhäuser. Diese waren in vorreformatorischer Zeit die Behausungen je eines Priesters oder Vikars, welcher einen der Nebenaltäre in der Stiftskirche zu versorgen hatte. Als Pfaffen- oder Messpfaffenhäuser werden deshalb bis heute die Wohngebäude Mittweidaer Straße 65, 67, 69, 71, 73 und 75 bezeichnet.


In den Jahren 1465 und 1466 wurden in der Ebersdorfer Wallfahrtskirche fünf Nebenaltare gestiftet, geweiht dem Heiligen Kreuz, Allerheiligen, dem Heiligen Thomas, dem Heiligen Nikolaus und dem Heiligen Hieronymus. Die dafür nötigen erheblichen Geldmittel erbrachten die seit vielen Jahren der Kirche zufließenden Spenden von Pilgern, welche der Pfarrer Nikolaus Rotenfels, gleichzeitig Domherr zu Naumburg, zinsbringend an sächsische Adlige und die Stadt Penig weiter verlieh. Mit diesen Zinsen wurden die Pfründen für die neuen Geistlichen gesichert. In unmittelbarer Nähe zum Kirchhof wurde für jeden der neuen Priester ein Haus errichtet.

Diese fünf Geistlichen bildeten zusammen mit dem Pfarrer und dem Frühmessner, welcher zugleich Vikar des um 1421 gestifteten Marienaltars war, eine Priesterschaft, welche am 8. April 1469 in Rom als Stift eingerichtet und bestätigt wurde. Der Pfarrer war nun Stiftspfarrer, der älteste Vikar war Senior. Es handelte sich jedoch um kein volles Kollegiatstift, sondern ein Viertelstift mit weniger Eigenschaften. Dies ist der Grund weswegen wir heute, obwohl schon lange kein Stift mehr, umgangssprachlich noch immer von der Stiftskirche sprechen. Eine weitere Priesterstelle, ebenso ausgestattet mit einem neuen Häuschen, wurde um 1500 von der Familie Harras für den Vikar des Altars der Heiligen Anna eingerichtet, so dass das Stift bis zur Reformation aus acht Geistlichen bestand.

1495 werden die Häuser der Priester erstmalig in einer Urkunde des Bischofs von Meißen erwähnt, wobei denselben beziehungsweise ihren Besitzern alle kirchlichen Freiheiten gewährt wurden: „In domibus que eorundem omniem libertatem ecclesiasticam habeant, sintque ab omni. saeculari exactionis et judico exempti.“ lautet übersetzt in etwa „In ebenderselben Häusern mögen sie alle kirchlichen Freiheiten haben und sie seien von allen weltlichen Steuern und dem Gericht ausgenommen.“ Lediglich dem Stift selbst waren die Inhaber der Häuser zu einem geringen Jahreszins verpflichtet und mussten innerhalb ihrer Gemeinschaft nach gewissen auferlegten Regeln leben.

Nachdem 1537 die Reformation in Ebersdorf Einzug gehalten hatte, fielen die an den Altären gehalten Messen weg, jedoch durften nach einer Visitation von 1540 die zwei verbliebenen Priester Nikolaus Harras († 1545) und Simon Carl († 1547) weiterhin in ihren Häusern wohnen. Nach ihrem Ableben gab der Grund- und Patronatsherr Eustachius von Harras an, er habe die Häuser an bedürftige Arme ohne Verzinsung verliehen, wobei ihm die Unterhaltung der Häuser viel Geld gekostet hätte. 1561 wurde mit dem Aussterben der von Harras das Stift säkularisiert; die Pfaffenhäuschen wurden normale Wohnhäuser.


Als um 1600 das Amt Lichtenwalde versuchte die Bewohner der Pfaffenhäuser zu Jagddiensten heranzuziehen, beschwerten sich Letztere beim Landesherrn. Nach Prüfung des Sachverhaltes befahl der sächsische Kurfürst Johann Georg I. 1615 seinen Beamten in Lichtenwalde, die Pfaffenhäusler bei ihren alten Rechten und Freiheiten zu belassen und sie auch zukünftig mit Frondiensten zu verschonen.

Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) wurden einige der Häuser unbewohnt und verfielen, doch waren bis 1695 alle sechs Freihäuser wieder aufgebaut und hatten neue Besitzer gefunden. Zu ihnen gehörten neben anderen Personen auch der Stiftspfarrer, der Schulmeister und der Chemnitzer Amtmann. Die Besitzer lassen sich bis 1695 eindeutig zurückverfolgen. In der Zeit davor, seit Ende des 16. Jahrhunderts, sind zwar die Besitzer auch bekannt, doch lassen diese sich in einigen Fällen nicht eindeutig einem bestimmten Pfaffenhaus zuordnen, weil die Lagebeschreibung in den Besitzurkunden mangelhaft erscheint.

Da die Kirche im 15. Jahrhundert als Wehrkirche neu errichtet wurde, erscheint es kaum vorstellbar, dass Wohnhäuser direkt an die Wehrmauer gesetzt wurden, dies würde den Zweck komplett aushebeln. Die Häuschen wurden sicher im Laufe der nunmehr fünfeinhalb Jahrhunderte auch abgerissen und neu errichtet, zuletzt jedoch, weil die Wehrmauern ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen mussten, auch bis an die selbige heran. Die seit dem 18. Jahrhundert baulich wenig veränderten Pfaffenhäuser waren als Baugruppe zusammen mit der Stiftskirche seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Motiv für Maler, Grafiker und Fotografen.



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